Krieg auf dem Bildschirm

 
 

Ich schaue mir die aktuellen Insta-Stories durch und sehe mich plötzlich mit einem Video konfrontiert, das mir den Horror aus Israel und dem Gazastreifen direkt vor Augen führt. Ungefragt, unvermittelt. In der nächsten Story folgt ein Video vom Badeurlaub in der Toskana. Ich schaue mir das Video aus dem Nahen Osten 2,3-mal an, bis ich begreife, was man darauf wirklich sieht. Und dann brauche ich erst einmal einen Moment, um das zu verdauen.

Verdauen muss ich nicht nur den Inhalt des Videos. Sondern vor allem die Tatsache, dass dieses Video, zwischen Ferienfotos und Strandvideos sozusagen ungefragt erscheint und mich auch völlig unvorbereitet trifft. Und eben nicht nur mich, die ich mich doch als ziemlich resilient einschätzen würde. Aber genauso wie mir kann es auch Personen gehen, die, vielleicht auf Grund ihrer Vorgeschichte, durch so einen Inhalt völlig aus der Bahn geworfen werden können. Und, sind wir ehrlich: die Chance ist hoch, dass auch unsere Teenager und sogar unsere Kinder mit solchen und ähnlichen Inhalten konfrontiert werden. Ungefragt, unvorbereitet, unvermittelt.

Wenn wir die «Tagesschau» einschalten, oder eine Online-Zeitung öffnen, wissen wir derzeit alle was kommt. Und dass die «Tagesschau» nichts für Kinder ist, so nehme ich an, wissen wir alle auch. Noch vor 10, 15 Jahren war es relativ einfach, unsere Kinder vor überfordernden medialen Inhalten zu schützen. Die Tageszeitung in die Höhe legen, und «Tagesschau» schauen, wenn die Kids im Bett sind, damit war schon viel getan.

Heute reicht das leider bei weitem nicht mehr aus und es ist höchste Zeit, dass wir uns Gedanken machen ob und wie wir unsere Kinder genügend schützen vor überfordernden Inhalten.

Nicht selten höre ich Aussagen wie «Ja, die Kids haben sich mit meinem Handy im Zimmer verkrümelt. Sie hören halt immer Hörspiele darauf.» oder «Ja mein Sohn weiss, dass er auf YouTube nur diese einen Filmchen schauen darf, und ich vertraue ihm da.»

Super, wenn wir unseren Kindern vertrauen können. Nur, haben wir daran gedacht, wie hoch der Reiz sein kann, mal eben ein anderes App anzuklicken? Oder auch, dass auf YouTube und anderen Plattformen Werbeanzeigen kommen, die ganz und gar nicht immer kindergerecht sind?

Bei allem Vertrauen, meiner Meinung nach ist es unsere Aufgabe die Kinder zu schützen. Wir würden unsere Kinder ja auch nicht mit ihrem Kinderfahrrad in den Grossstadtverkehr schicken und sagen: «Ich vertraue meinem Kind, dass es vorsichtig fährt». Die Gefahren da wären uns viel zu präsent. Bei den Medien sieht es leider oft anders aus…

Dies soll jetzt auch überhaupt nicht heissen, dass die Kinder nie mehr ein Handy in die Hand bekommen sollen. Schutz bedeutet auch Aufklärung über die Gefahren, Gespräche führen, Kinder zur Reflexion einladen und last but not least: Regeln aufstellen.

Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn das Handy auf jedem Fall im Wohnzimmer bleibt, wo wir jederzeit einen Blick auf den Bildschirm werfen können? Mit einer Box kann man trotzdem im Kinderzimmer Hörspiele hören, Bluetooth sei Dank.

Und vielleicht wäre auch es auch gut, ein Gespräch über die Weltlage und die Berichterstattung zu führen. Dann könnte man zusammen austauschen, wie es einem geht, wenn man solche Bilder sieht und was man machen kann, damit das nicht passiert, bzw. auch, was man machen kann, wenn es doch mal passiert.

Ich finde es super, dass viele Eltern Verantwortung wahrnehmen und ihre Kinder schützen – sei dies im realen Leben oder im digitalen, welches für die nächste Generation mindestens genauso präsent ist wie das «reale Leben».

 

Zu Beginn des Ukraine-Konflikts habe ich das Thema “Kinder und Kriegsnachrichten” schon einmal in einem Blog thematisiert: «Was machen wir mit all den Marmeladen-Gläsern?» Ein Blogbeitrag aus aktuellem Anlass…


 

Im Onlinekurs “Traumapädagogik - was Kinder und Jugendliche in Not brauchen” tauchen wir tief in das Thema Trauma,Traumafolgen und Alltagsgestaltung ein. Ich würde mich freuen, dich im Kurs begrüssen zu dürfen!

Angela Indermaur