Wie spreche ich mit meinen Kindern über… schwere Krankheit und Sterben?

Das Kind stand neben dem Sarg und konnte seinen Blick nicht abwenden. In seinen Augen standen Verzweiflung, Leere und eine grosse Verwirrung. Es verstand offensichtlich nicht, was da passiert war. Im Sarg lag ein Elternteil des Kindes, gestorben nach einer langen Krankheitszeit, an Krebs.

Wie kann es sein, dass ein 8-jähriges Kind völlig verloren am Sarg eines Elternteils steht, nicht betreut und mit grossen Fragezeichen im Gesicht? Wie kann das passieren, nachdem dieser Elternteil schon Jahre krank war und sich der Tod in den letzten Monaten für alle sichtbar abzeichnete?

(wahre Geschichte, aber bewusst anonymisiert)

Falls du jetzt denkst, «das ist ein Einzelfall» muss ich dich leider enttäuschen. Mittlerweile weiss ich, leider, dass es immer wieder vorkommt, dass Kinder nicht aufgeklärt über schwere Krankheiten und ebenso wenig vorbereitet werden auf den Tod eines geliebten Menschen.

Warum das so ist, kann ich nur erahnen. Vielleicht weiss man nicht wie, fühlt sich unsicher und schiebt das Gespräch so lang raus, bis es zu spät ist. Oder man kann sich selbst nicht eingestehen, wie ernst die Lage ist, blendet lieber aus. Oder aber, man klammert sich selbst so sehr an die Hoffnung auf Heilung, dass man meint, man dürfe «vom anderen» gar nicht sprechen. Leider kommt das speziell unter Christen immer wieder vor.

Alle 3 Gründe – und meistens ist es wohl eine Mischung daraus – sind ja durchaus verständlich und nachvollziehbar.

Und trotzdem ist es aus meiner Sicht fatal, wenn wir es versäumen, unsere Kinder  mit auf einen Weg zu nehmen und sie vorzubereiten auf das, was eintreffen könnte.

Wäre es nicht besser, wir bereiten unsere Kinder auf den möglichen Tod einer geliebten Person vor und feiern dann überglücklich die Genesung, als wenn wir es nicht tun und dann einem völlig überforderten und verwirrten Kind am Sarg gegenüberstehen?

Wenn wir Kinder von Anfang an unaufgeregt und einigermassen sachlich über die Krankheit informieren, machen wir es allen Beteiligten einfacher. Wir dürfen nicht vergessen, dass viele Kinder sehr empfindsam sind und sowieso vieles mitbekommen. In der Regel ist es für Kinder einfacher, wenn sie darüber aufgeklärt werden, was Sache ist, als wenn sie spüren, dass etwas nicht stimmt, sie aber keine Worte dafür haben. Oft geht da die Fantasie dann mit einem Kind durch, und das, was es sich ausmalt, ist belastender, als es die Realität wäre…

Wenn wir es selbst nicht schaffen, so ein Gespräch zu führen, können wir auch jemanden um Hilfe bitten. Empathische Personen, die einen guten Zugang zu Kindern haben sind da gut geeignet.

Die einen Kinder stellen in so einem Gespräch eine Menge Fragen und wollen alles ganz genau wissen. Andere verdauen die Information erst mal für sich und begnügen sich damit, «Bescheid» zu wissen. Beides, und alles dazwischen ist völlig ok. Wichtig ist, dass die Kinder altersgemäss informiert werden und dass sie die Möglichkeit haben, jederzeit ihre Fragen stellen zu können.

Wenn wir mit Kindern darüber sprechen (müssen), dass eine geliebte Person vielleicht oder wahrscheinlich sterben wird, ist es wichtig, dass wir uns bewusst sind: Wir konfrontieren unsere Kinder somit mit der grösstmöglichen Vergeblichkeit im Leben. Dies können wir nicht ändern, was wir aber sehr wohl ein Stück weit ändern können, ist die Tatsache, dass der Tod eine grosse Trennungserfahrung ist. Diese Trennung können wir abmildern und überbrücken, in dem wir betonen, dass die Mama immer deine Mama bleiben wird. Oder dass das Kind im Herzen immer mit seinem Opa verbunden bleiben kann. Ich vergleiche Bindung gerne mit einem Seil, dass beide Seiten festhalten. Dieses Seil muss auch mit dem Tod nicht reissen! Vielleicht könnten wir diese Tatsache bildlich oder sogar direkt mit einem Seil darstellen?

Trotz allem ist ein Gespräch über den allfälligen Tod einer geliebten Person «harter Tobak» für ein Kind. Aber sicher weniger hart, als wenn das Kind völlig unvorbereitet mit einer Todesnachricht konfrontiert wird.

Dies wünsche ich wirklich keinem Kind und ich möchte uns Mut machen, die Chance der Vorbereitung zu nutzen, wenn sie sich bietet!

Und wenn wir schon dabei sind, könnten wir vieles anderes auch gerade vorbereiten! Wir könnten zum Beispiel überlegen, wer am Tag der Beerdigung für das Kind da sein könnte und diese Person im Voraus anfragen, damit es dann eben nicht allein und verloren am Sarg steht. Und so vieles mehr…

Einige Bücher, die uns und unseren Kindern zu diesem Thema helfen könnten, stelle ich im nächsten Beitrag vor.

Foto von Eli Solitas auf Unsplash